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Wissenschaftliche Texte lesen – aber wie?
Das Lesen wissenschaftlicher Texte ist ein wichtiger Bestandteil eines jeden Studiums. Ungefähr die Hälfte der Studienzeit besteht aus Lesen und das ist nicht unbedingt leicht. Welche Texte müssen oder sollten für eine Hausarbeit, ein Referat oder eine Abschlussarbeit gelesen werden? Wie kann man die relevanten Informationen entdecken? Und woher weiß man dann, dass nichts Wichtiges übersehen wurde? Es kann auch schwierig sein, den Kontext eines Werkes zu erfassen oder den Text selbst zu verstehen, weil er zu komplex oder zu schwierig zu sein scheint. Fehlende Motivation kann problematisch sein, genauso wie mangelndes Zeitmanagement und Prokrastination. Aber keine Angst, wenn Sie die folgenden Tipps und Hinweise beherzigen, werden wissenschaftliche Texte bald kein Problem mehr für Sie sein. Im Einzelnen soll es deshalb in diesem und dem nachfolgenden Screencast um Texte, Lesetechniken und Lesestrategien gehen.
Sie haben bestimmt schon festgestellt, dass wissenschaftliche Texte über besondere Eigenschaften verfügen. In ihnen wird spezielles Vokabular verwendet und auch das syntaktische und stilistische Niveau unterscheidet sich von Romanen und anderen Texten, die Unterhaltungszwecken dienen.
Auch Sie selbst gehen an Texte dieser Art in der Regel ganz anders heran, als wenn Sie abends vor dem Schlafengehen noch einen Krimi lesen. Man liest einen wissenschaftlichen Text, weil Antworten auf bestimmte Fragen oder bestimmte Informationen gesucht werden, die für die eigene wissenschaftliche Arbeit wichtig und relevant sind. Das ist nicht immer ganz leicht, aber es gibt eine gute Nachricht: Mit Übung wird es besser. Versprochen! Je mehr wissenschaftliche Texte Sie lesen und je mehr Ihr Wissen und Ihre Erfahrung wachsen, desto leichter wird es Ihnen fallen, mit dem speziellen Duktus dieser Texte zurechtzukommen und die von Ihnen benötigten Informationen zu finden und zu nutzen.
Achten Sie beim Lesen wissenschaftlicher Texte auf eine gute Arbeitsumgebung, die möglichst frei von Ablenkungen ist. Deaktivieren Sie Benachrichtigungen und ähnliches. Auch ein gutes Zeitmanagement ist unbedingt zu empfehlen. Es ist durchaus sinnvoll, wenn Sie sich einen Plan machen, was Sie wann lesen und auch wie lange Sie lesen wollen. Sie werden nicht besonders viel schaffen, wenn Sie mehrere Stunden am Stück lesen. Lesen Sie lieber in kürzeren Abschnitten und legen Sie auch regelmäßig Pausen ein, damit Ihre Konzentration nicht nachlässt. Probieren Sie z. B. diese Variante aus: 20 Minuten lesen, die wichtigsten Informationen aufschreiben oder anderweitig festhalten, 5 Minuten Pause und dann die nächste Leseeinheit.
Sie können auch ganz leicht überprüfen, ob Sie noch bei der Sache sind: Versuchen Sie, einen gerade gelesenen Abschnitt zusammenzufassen. Wenn es Ihnen nicht gelingt, ist es unbedingt Zeit für eine Pause. Sie können sicher sein, dass es nach einer kleinen Auszeit viel besser vorangehen wird.
Texte
Es wird zwischen zwei Arten wissenschaftlicher Texte unterschieden. Da sind zum einen didaktisch aufbereitete Bücher wie Lehrbücher, Handbücher, Einführungen oder Skripte. Und dann gibt es noch fachspezifische Texte, zu denen Aufsätze, Studien und Monographien zu speziellen Fragestellungen gehören.
Zunächst sollten Sie Lehrbücher und ähnliche Werke für den Einstieg in ein bestimmtes Thema lesen, um sich zu orientieren und mit den Grundlagen vertraut zu machen. Texte dieser Art sind in der Regel nicht so komplex und speziell für den Einstieg in ein Fachgebiet oder eine Problematik konzipiert. So können Sie einen Überblick gewinnen und die relevanten Fachbegriffe kennenlernen. Lexika können ebenfalls für den Einstieg hilfreich sein. Beachten Sie aber, dass diese Werke zumeist ausschließlich gesicherte Erkenntnisse und verifiziertes Wissen enthalten und in ihnen also nicht unbedingt die neuesten Erkenntnisse eines Fachgebiets zu finden sind.
Um sich mit dem Forschungsstand eines Themas vertraut zu machen, sollten Sie nun einen oder mehrere aktuelle Aufsätze zu Ihrem Thema lesen. Verschaffen Sie sich dazu zunächst einen Überblick über die relevanten Zeitschriften eines Fachgebiets, um entscheiden zu können, welche Publikationen Aufsätze zu Ihrem Thema enthalten könnten. Wie Sie am Besten nach Zeitschriften recherchieren, erfahren Sie in den Tutorials zum Thema „Recherche“.
Auch wenn es sich bei Aufsätzen um fachspezifische Texte handelt, so sind sie doch meist recht kurz und komprimiert, so dass es Ihnen nicht schwerfallen dürfte, den Inhalt zu erfassen. Außerdem enthalten sie oft interessante Ideen und Denkanstöße sowie die neuesten Erkenntnisse eines Fachgebiets. Und es ist wirklich so, dass Sie mit jedem weiteren Text besser zurechtkommen und dass es Ihnen immer leichter fallen wird, die Inhalte zu erfassen und für Ihre wissenschaftliche Arbeit zu nutzen.
Jetzt ist es Zeit für fachspezifische Aufsätze und Monographien, die sich in der Regel an eine spezielle Zielgruppe richten, eben an Personen, die sich mit einem bestimmten Fach oder Thema beschäftigen. In Texten dieser Art wird Fachsprache verwendet und auch die standardisierten Formen der jeweiligen Disziplin werden befolgt. Planen Sie am Anfang eine Phase des Einlesens ein. Sie werden sie brauchen, um sich innerhalb der Fachliteratur zu orientieren. Im Anschluss wird es Ihnen dann aber umso leichter fallen, zielgerichtet Literatur auszuwählen und zu lesen.
Haben Sie Geduld mit sich selbst, wenn Sie sich mit Fachtexten beschäftigen. Es braucht etwas Übung, bis Sie sich gut mit den Eigenheiten dieser Werke auskennen. Doch je mehr Sie lesen, desto leichter wird es Ihnen fallen. Diese Tatsache können Sie übrigens ganz leicht überprüfen: Nehmen Sie einen Text zur Hand, der Ihnen vor einigen Monaten oder Wochen noch Probleme bereitet hat. Wenn Sie ihn jetzt wieder lesen, wird das ganz bestimmt nicht mehr der Fall sein, weil Sie sich mit dem Thema schon viel besser auskennen.
Anfangs wird es Ihnen auch nicht ganz so leichtfallen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Haben Sie auch da etwas Geduld. Je mehr Sie lesen und damit Ihr Wissen wächst, desto leichter wird Ihnen diese Unterscheidung fallen.
Um relevante Literatur zu finden, können Sie neben der systematischen Recherche auch die Schneeball-Methode nutzen. Dabei wird die in einem Text zitierte Literatur geprüft, ob sie vielleicht ebenfalls relevante Informationen enthält. Weil Wissenschaft und Forschung immer aufeinander aufbauen und miteinander verknüpft sind, können Sie so relativ leicht relevante Literatur entdecken. Beachten Sie aber dabei, dass Sie mit dieser Methode nicht auf aktuellere als die gerade gelesene Literatur stoßen können. Ein Text, auf den in einem anderen Text Bezug genommen wird, ist ja natürlich mindestens so alt wie der Text, in dem er zitiert wird. Vernachlässigen Sie daneben auch nicht die systematische Suche in Katalogen und Datenbanken. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Standardliteratur eines Themas oder Fachgebiets häufiger zitiert wird, sollten Sie doch Ihre Recherche nicht ausschließlich auf diesem Zufallsprinzip aufbauen.
Wie in der Abbildung zu sehen ist, können Sie die Schneeball-Methode auch für die Suche nach relevanten Fachtermini verwenden. Welche Begriffe und Synonyme werden in der Fachliteratur verwendet und können daher für die Recherche nützlich sein? Auf diesem Wege wird die Suche im Katalog nach weiterer Literatur auch noch leichter.
Lesetechnik
Grundsätzlich gilt: Lesen Sie einfache vor komplexen Texten, lesen Sie allgemeine vor speziellen und neue vor alten Werken. Eine Ausnahme dabei bilden Grundlagenwerke, die in der Regel meist schon etwas älter, aber trotzdem für ein bestimmtes Thema relevant sind. Lesen Sie außerdem erst kurze und dann lange Texte. Mit diesem Vorgehen wird es Ihnen mit etwas Übung bald nicht mehr schwerfallen, sich in eine bestimmte Thematik einzuarbeiten und das notwendige Wissen zu erwerben, um sich dann angemessen und ohne Probleme mit komplexen Einzelaspekten auseinanderzusetzen.
Prüfen Sie die Relevanz wissenschaftlicher Literatur anhand der bibliographischen Daten: Wer hat das Buch geschrieben? Handelt es sich um einen Wissenschaftler oder Experten, der auf diesem Gebiet forscht? Wann ist das Werk erschienen? Spiegelt es den aktuellen Forschungsstand wieder oder ist es veraltet? Ist es in einem seriösen Verlag oder einer bestimmten Reihe erschienen? Welche inhaltlichen Informationen bieten Klappentext, Inhaltsverzeichnis und Vorwort? Bei Aufsätzen ist es außerdem hilfreich, das Abstract zu lesen, um die Relevanz zu ermitteln. Werfen Sie einen Blick auf Einleitung und Schluss. In der Einleitung wird in der Regel das Grundanliegen des Textes mitgeteilt und im Schluss auf die Ergebnisse hingewiesen.
Auch das Register kann eine hilfreiche Quelle dafür sein, ob und welche relevanten Begriffe in dem Werk Verwendung finden. Im Literaturverzeichnis lässt sich überprüfen, ob vielfältige und auch aktuelle Quellen verwendet wurden. Schließlich kann es auch nicht schaden, Rezensionen über ein bestimmtes Werk zu lesen. Wie wird es in der Fachwelt beurteilt? Das kann ebenfalls einen wichtigen Hinweis über die Relevanz liefern.
Wenn Sie sich kurz die Zeit nehmen, um vor dem Lesen auf diese Punkte einzugehen, können Sie insgesamt Zeit sparen, weil eben schon dadurch deutlich wird, ob Sie ein Werk überhaupt gründlich lesen müssen.
Es wird zwischen drei Arten des Lesens wissenschaftlicher Texte unterschieden, die sich jeweils für verschiedene Etappen des Lese- und Rechercheprozesses gut eignen.
Da gibt es zunächst das kursorische Lesen, auch Querlesen genannt. Dabei wird ein Text nicht gründlich Seite für Seite und Zeile für Zeile gelesen, sondern Sie überfliegen die Seiten nur, um sich einen Eindruck zu verschaffen, ob das Werk für Sie relevant ist. Kursorisches Lesen ist Übungssache. Je öfter Sie sich so mit Texten auseinandersetzen, desto leichter wird es Ihnen fallen.
Das studierende Lesen zeichnet sich hingegen durch Gründlichkeit aus. Dabei wird ein Text bis in die kleinste Einzelheit studiert, um alles zu verstehen und alle relevanten Informationen zu ermitteln. Wie ist z. B. die Argumentation aufgebaut? Diese Art des Lesens wird genutzt, um neue Sachverhalte kennenzulernen und zu verstehen, aber auch, wenn ein Text als Grundlage für die eigene Arbeit dienen soll. Dabei ist es besonders wichtig, dass Sie im Anschluss wiederholen und/oder zusammenfassen, was Sie gelesen, verstanden und behalten haben.
Als dritte Variante gibt es noch das selektive oder sichtende Lesen. Das kommt zumeist in einem recht weit vorangeschrittenen Stadium des wissenschaftlichen Arbeitens zum Einsatz und wird verwendet, wenn nicht mehr Grundlagen, sondern nur noch spezielle Einzelheiten gesucht und ergänzt werden sollen. Es wird also – wie der Name es sagt – selektiv nach Informationen gesucht. Dabei ist es wichtig, dass Sie sich vorher genau überlegen, was gesucht oder benötigt wird, welche speziellen Fragen also beantwortet werden sollen. Bei dieser Variante werden Texte nicht mehr vollständig gelesen, sondern gezielt nach spezifischen Informationen durchforstet. Sie werden Kapitel oder Abschnitte eines Textes nur noch überfliegen, um die Stellen zu entdecken, die das Gesuchte enthalten. Diese Form des Lesens sollte vorwiegend am Ende der Recherche genutzt werden, wenn Sie schon über ein gewisses Vorwissen verfügen, das dann durch spezielle Informationen ergänzt und erweitert wird.
Lesestrategien
Lesephasen nach Otto Kruse
Der Schreibforscher Otto Kruse hat vor einigen Jahren ein Konzept dazu entwickelt, was in welcher Phase des Lesens stattfinden sollte, um sich wissenschaftliche Texte effektiv zu erschließen. Das Konzept strukturiert das Lesen in drei Phasen, die ich Ihnen nun vorstellen möchte.
Vor dem Lesen
Zunächst müssen Sie den Text wählen, den Sie lesen wollen. Das können Sie anhand der im Abschnitt „Lerntechniken“ beschriebenen Punkte tun. Setzen Sie sich kurz mit dem Kontext des Buches oder Aufsatzes auseinander und überlegen Sie sich, welches Ziel oder welche Ziele Sie mit dem Lesen verfolgen. Weshalb lesen Sie den Text? Was wollen Sie von dem Text erfahren? Und auch: Was können Sie von dem Text erwarten? Auf diese Art und Weise wird systematisches und zielgerichtetes Lesen möglich und Sie können sicherstellen, dass Sie wirklich die Informationen entdecken und behalten, die für Ihre wissenschaftliche Arbeit wichtig sind.
Legen Sie vor dem Lesen fest, wieviel Zeit Sie investieren wollen. Auch das kann hilfreich dabei sein, strukturiert und ergebnisorientiert zu arbeiten. Überlegen Sie sich außerdem, ob Sie sich nur einen Überblick verschaffen wollen oder ob Sie z. B. detaillierte Daten und Fakten oder die Meinung des Verfassers herausfinden wollen.
Und natürlich müssen Sie auch die Fragen formulieren, auf die Sie durch das Lesen des Textes Antworten finden wollen. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, wie und welche Fragen Sie formulieren können, nutzen Sie am Besten die W-Fragen:
„Wer“ fragt nach den beteiligten Personen, Handelnden, Betroffenen oder Gruppen, also z. B. „Wer ist von Armut betroffen?“.
„Was“ dient der Gegenstandsbestimmung, also z. B. „Was ist Armut?“.
„Warum“ fragt nach dem Grund oder der Ursache, dem Zweck oder dem Ziel, also z. B. „Warum entsteht Armut?“.
„Wie“ fragt nach der Art und Weise oder auch den Gegenmaßnahmen, also z. B. „Wie oder mit welchen Maßnahmen wird Armut bekämpft?“.
„Wo“ dient dazu, den Ort oder die Verbreitung, aber auch den Geltungsbereich zu ermitteln, also z. B. „Wo oder in welchen EU-Staaten herrscht große Armut?“.
„Wann“ wird für die Frage nach der Zeit oder der Entwicklung genutzt, also z. B. „Wann oder seit wann nimmt die relative Armut zu?“.
Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihnen die Formulierung von Fragen anfangs noch nicht so gut gelingt. Das ist Übungssache und wird mit jedem gelesenen Werk besser und leichter.
Während des Lesens
Auch wenn es anfangs schwerfällt, versuchen Sie, hin- und herblättern zu vermeiden. Lesen Sie lieber weiter, um den Text als Einheit zu verstehen, selbst wenn Ihnen noch nicht alle Einzelheiten klar sind. Es passiert dann meist automatisch, dass Sie auch spezielle Punkte verstehen, nachdem Sie sich mit dem großen Ganzen beschäftigt haben.
Wenn Ihnen das Abschweifen Probleme bereitet, kann Ihnen vielleicht eine Lesehilfe wie ein Lineal, eine Stricknadel oder Essstäbchen helfen, damit die Augen nicht ständig woanders hinwandern. Das klappt bei gedruckten natürlich besser als bei digitalen Texten. Soweit ich weiß, gibt es kein IT-Äquivalent zu dieser Art Lesehilfe, aber vielleicht kennen Sie ja eine Möglichkeit. Hinweise nehme ich immer entgegen.
Achten Sie darauf, Texte erst zu lesen und dann Markierungen oder Randnotizen einzufügen. Unterstreichungen u. ä. können sehr hilfreich sein, um wichtige Stellen hervorzuheben. Wenn Sie das allerdings gleich beim ersten Lesen tun, besteht die Gefahr, dass Sie zu viel und im Rückblick auch Unwichtiges durch Unterstreichungen u. ä. hervorheben. Wenn dann die Hälfte eines Textes unterstrichen ist, funktioniert dieses Mittel auch nicht mehr, damit wichtige Aussagen gleich ins Auge fallen. Besser ist es, wenn Sie sich erst einen Überblick über den Text als Ganzes – bei Monographien dann über ein Kapitel – verschaffen und dann wichtige und relevante Aussagen unterstreichen oder mit einer Randnotiz versehen. Auf diese Weise reduziert sich auch die Gefahr, dass Sie zu viel markieren.
Wenn Sie Literatur aus der Bibliothek für Ihre Recherche nutzen, können Sie natürlich nichts unterstreichen. Hier kann man die Möglichkeit nutzen, Papierstreifen mit Stichwörtern und Anmerkungen an die entsprechende Stelle des Buches zu legen. Und bei elektronischen Texten gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten, um Markierungen und Kommentare einzufügen. Ob nun auf dem Papier oder dem Bildschirm ist es eine gute Idee, verschiedene Markierungen für verschiedene Informationen (z. B. für zentrale Aussagen, Meinungen oder Fragwürdiges) zu verwenden.
Es kann auch hilfreich sein, wenn Sie sich ein Glossar für die Fachbegriffe Ihres Themas anlegen. Das hat den Vorteil, dass Sie schnell nachsehen können, was spezielle Termini bedeuten. Außerdem sorgt die bloße Handlung des Niederschreibens dafür, dass Sie sich die Begriffe einprägen.
Denken Sie auch daran, die visuellen Elemente eines Textes zu beachten: Welche Graphiken und Statistiken sind zur Illustration der Aussagen eingefügt? Wie relevant sind die Abbildungen? Und können Sie sie vielleicht auch für Ihre eigene wissenschaftliche Arbeit nutzen?
Natürlich müssen Sie beim Lesen auch versuchen, die vorher formulierten Fragen zu beantworten. Welche Informationen des Textes sind dafür relevant und hilfreich? Denken Sie dabei daran, dass die Ausführlichkeit und auch die Qualität der Antwort ganz unterschiedlich ausfallen können. Je nachdem, wie gründlich Ihre Fragen in einem bestimmten Text beantwortet werden, werden Sie die noch zu lesenden Texte entsprechend auswählen.
Bei der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Textes ist kritisches Lesen durchaus angebracht. Untersuchen und hinterfragen Sie das Gelesene. Sie können z. B. erarbeiten, welche Funktion einzelne Abschnitte oder Kapitel haben. Handelt es sich um Thesen oder Behauptungen mit der entsprechenden Argumentation und Begründung? Sind es eher Verallgemeinerungen? Ist die Argumentation nachvollziehbar? Sind die dargestellten Sachverhalte tatsächlich logisch oder gibt es Lücken oder Fehler in der Beweisführung? Bei diesem Punkt ist es auch hilfreich, die Intentionen eines Autors zu hinterfragen. Das heißt nun natürlich nicht, dass Sie alles, was Sie lesen, anzweifeln sollen, aber Sie müssen auch keine Angst davor haben, bestimmte Informationen in Ihrer Bearbeitung und mit Ihrer Argumentation zu entkräften oder sogar zu widerlegen. Auch hier gilt: Übung macht den Meister. Je mehr wissenschaftliche Texte Sie lesen, desto leichter wird Ihnen das kritische Lesen fallen.
Nach dem Lesen
Nach dem Lesen sollte unbedingt eine gründliche Nachbereitung des Gelesenen stattfinden. Welche Fragen wurden beantwortet? Haben Sie alles verstanden oder gibt es noch Unklarheiten? Welche neuen Erkenntnisse haben Sie gewonnen und welchen Nutzen können Sie daraus für Ihre eigene Arbeit ziehen? Was war das Thema und was die Kernaussagen des Textes? Wie gestaltet sich die Beziehung dieses Textes zu anderen Werken zum selben Thema?
Diese Reflexion und Auseinandersetzung kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen und Sie können einfach ausprobieren, was Ihnen am meisten liegt und womit Sie den größten Erfolg haben: Sie können kurze Zusammenfassungen schreiben, eine Mindmap mit den relevanten Stich- und Schlagwörtern entwickeln oder Literaturverwaltungsprogramme wie Citavi nutzen, um das Gelesene festzuhalten und in Bezug auf Ihre Fragestellung zu verarbeiten. Sie können auch ausprobieren, ob Sie das Gelesene besser behalten, wenn Sie sich handschriftlich etwas dazu in einem Notizbuch notieren oder alles in ein Word-Dokument tippen. Wenn es Ihnen liegt, können Sie auch die verbale Auseinandersetzung nutzen und einfach jemandem etwas über das gerade Gelesene berichten.
Das Verfassen eines Exzerpts kann ebenfalls hilfreich sein. Dabei wird ein Text auf seine Kernaussage(n) reduziert, die zentralen Aussagen werden wiedergegeben und ggf. durch einige aussagekräftige Zitate ergänzt.
Bedenken Sie, welche Konsequenzen das Gelesene für Ihre eigene wissenschaftliche Arbeit hat. Eventuell sollten oder müssen Sie sogar Ihre Fragestellung und/oder Ihre Gliederung anpassen. Aber keine Sorge, das ist Teil des ganz normalen Arbeitsprozesses und Sie sollten nicht das Gefühl haben, dass Sie dadurch in Ihrer Bearbeitung einen Rückschritt erleben.
Wenn Sie möchten, können Sie durchaus auch schon während der Lesephase nicht nur Stichworte, sondern Gedanken und Teile Ihrer Argumentation formulieren und so das Gelesene in Ihren eigenen Text integrieren.
PQ4R-Methode
Eine weitere Methode für das effektive Lesen wissenschaftlicher Texte wurde in den 1970er Jahren von den amerikanischen Wissenschaftlern Thomas und Robinson entwickelt. Dabei handelt es sich um die PQ4R-Methode, bei der als zentrales Element Fragen entwickelt und erstellt werden, durch deren Beantwortung Textinhalte erfasst und gelernt werden sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden folgende Schritte nacheinander ausgeführt:
Zunächst erfolgt die Preview oder Vorprüfung. Dabei verschaffen Sie sich einen Überblick, indem Sie den Text überfliegen.
Der zweite Schritt besteht im Erstellen von Questions oder Fragen, auf die der Text Antworten liefern soll.
Anschließend folgt Read, also das eigentliche Lesen des Textes. Lesen Sie einzelne Abschnitte oder Kapitel im Hinblick auf Ihre zuvor formulierten Fragen, die dann idealerweise beantwortet werden können. Durch dieses zielgerichtete Lesen können Inhalte gut erfasst und anschließend für die eigene wissenschaftliche Arbeit genutzt werden.
Der Schritt Reflect bedeutet, dass Sie über das Gelesene nachdenken und sich auf intellektueller Ebene damit auseinandersetzen.
Recite oder Wiedergeben meint, dass das Gelesene auf verschiedene Art und Weise, z. B. durch Aufschreiben, Austausch o. ä. wiedergegeben wird. So kann man gut feststellen, ob man einen Text wirklich verstanden hat.
Als letztes erfolgt dann der Schritt Review oder Rückblick. Dabei wird geprüft, ob die eigenen Notizen etc. den Text korrekt wiedergeben. Dieser Schritt sollte erst mit einiger zeitlicher Verzögerung stattfinden, damit er auch tatsächlich effektiv ist.
Die PQ4R-Methode ist für wissenschaftliche Texte aller Art geeignet. Wenn Sie auch die anderen Hinweise aus diesen beiden Screencasts beherzigen, sind Sie gut für das Lesen wissenschaftlicher Texte gerüstet. Natürlich gibt es noch mehr zu dem Thema zu sagen. Die entsprechende Literatur finden Sie gedruckt in der ersten Etage der Bibliothek unter der Signatur DK 001.8 grau und die elektronischen Medien sind über den Bibliothekskatalog zugänglich.